"Die eine wahre Sache gibt es nicht." Ernie H.

"Wenn die Seele bereit ist, sind es die Dinge auch.“ Billy S.

18 Juni 2010

Mütterliche Schlampen und gestörte Burschen

Es ist immer interessant, und oft aufschlußreich, sich nach langer Zeit mal wieder einen Film anzuschauen, der einen seinerzeit, als man deutlich jünger war, beeindruckt hat -- zumal, wenn es sich um ein Werk handelt, daß auch bei vielen anderen Leuten Teil des kollektiven Bewußtseins und wiederkehrender Referenzpunkt ist...

Vor allem die Frage, was da eigentlich so hängengeblieben ist, was so beeindruckt, möglicherweise gar geprägt hat.

Nehmen wir Sergio Leones „Once Upon A Time In The West“: Tolle Bilder, spannende Story, coole Jungens, und natürlich die Musik. Interessant zunächst – nachdem man mittlerweile mal vor Ort war – wie oft man durch, vor, neben ein paar Felsen, immer den gleichen Türmen des Monument Valley, mit der Kutsche, zu Pferd, mit dem Zug und zu Fuß durchs Bild huschen kann. Und Harmonica, Frank und Cheyenne sind immer noch coole Burschen...

Aber, was jetzt auffällt: die Jungs sind auch alle komplett gestört. Einsam, sprachbehindert, zwanghaft brutal. Und sie haben alle ein Problem mit Frauen, mit Liebe, mit Sexualität. Claudia Cardinale schmachtet regelmäßig in die Kamera, als sei ständig ein Blowjob in Aussicht – klar, sie ist ja auch eine Hure. In die sich natürlich alle verlieben. Und sie ist so dauergeil, daß selbst der Mörder ihres Mannes sie sofort in ekstatisch-nymphomanische Zustände versetzt, sobald er sie anfaßt.

Und auch der gute Harmonica muß sie erst mal erniedrigen, ihr die Klamotten zerreißen, damit sie ihre formidablen Brüste in die Kamera halten kann.
Was für ein Frauenbild: Dauergeil, alles verzeihend, alles verstehend, immer nach einem Mann schmachtend, der es ihr richtig besorgt. (Denn außer Harmonica, Frank und Cheyenne sind alle anderen Männer Dummköpfe, Feiglinge, Witzfiguren oder Krüppel.) Und die Männer, die es ihr besorgen dürften, haben aber alle einen Grund, es nicht zu tun: Zu böse, zu gut, oder leider schon eine Kugel im Leib.

In „Once Upon A Time In America“ wird’s dann noch doller: Liebe führt zu Vergewaltigung, nur so kann der leidende Mann sich ausdrücken. Und es wird ihm verziehen. Denn verständige Frauen sehen das so wie Claudia Cardinale es zu Cheyenne sagt: „Du kannst mich hier auf dem Tisch nehmen. Du kannst alle deine Männer reinholen. Davon ist noch keine Frau gestorben. Ich wasche mich hinterher.“ Sehr pragmatisch. Ist ja auch nicht so schlimm, denn in Wahrheit erinnert sie Cheyenne an seine Mutter, „die dreckigste Hure und großartigste Frau von allen“. Na dann ist ja alles gut.

Erdacht und geschrieben ist das wohl gemerkt alles von Männern: Story Argento, Bertolucci, Leone, Drehbuch Leone und Donati. Sorry, bei allem Respekt, ziemlich kranke offenbar Dauerpubertierende mit schweren Störungen. Club Polanski sozusagen.
Das also ist eines der prägenden Filmkunstwerke unserer Generation. Hm...

Leider fällt einem dann auf, daß in so manchem coolen Kultfilm von Epigonen der genannten Herren ein ähnlich horrendes Frauenbild vorherrscht: „The Godfather“, „Total Recall“, „Heat“ – im besten Fall sind die Frauen Beiwerk, eindimensionale Püppchen oder brave Ehefrauen, bei Paul Verhoeven sind sie zu beseitigende Ärgernisse („Consider this a divorce“!), „Showgirls“ eben. Man nimmt sie wie bei Bertolucci am besten stehend von hinten, wie auch Jill Bain Frank den Hintern hinhält, nachdem sie ihm erklärt hat, sie sei zu allem bereit... Alles, außer Sex auf Augenhöhe, nicht daß zuviel Intimität entsteht.

Das Frauenbild eines Mannes ist Teil seines Männerbildes. Und das Verhältnis zu und die Darstellung von Frauen bei Leone, Bertolucci, Verhoeven, Coppola, Mann ist Teil eines Gesellschaftsbildes.

Selbst beim sonst misogyn unverdächtigen George Lucas ist die große einzige Liebe von Luke Skywalker seine Schwester, und somit tabu. Und auch alle anderen Frauen sind asexuell: Mütter oder Soldaten, Madonnen oder Kampfkameraden. Weibliche Jediritter oder Ratsmitglieder? Fehlanzeige.

Irgendwie ganz schön scary das Ganze.

(P.S.: Bei Spielberg gibt es dreidimensionale, handelnde, partizipierende, physisch uneingeschränkt ebenbürtig wahrgenommene Frauen. Der gute alte Steven. New Hollywood he ain’t. Eben mehr Capra als Ford. Und Ridley Scott kann echte Frauen. Eben mehr Zinnemann als Peckinpah. Also es geht auch anders...)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen