"Die eine wahre Sache gibt es nicht." Ernie H.

"Wenn die Seele bereit ist, sind es die Dinge auch.“ Billy S.

06 Mai 2011

»Die Akademie müsste sich auflösen wegen kollektiver Blödheit«

ich muß immer wieder nochmal herzlich lachen über diesen text, so unverfroren respektlos ehrlich rechtschaffend empört, so schonunglos undiplomatisch wahr ist er. warum steht das so in keiner zeitung, warum sagt das niemand sonst mal so offen. man muß suchsland danken, für das vergnügen, für die wahrheit.

Das Wildcard-Gemauschel

Alle Jahre wieder ändern sich die Nominierungs-Verfahrens-Regeln beim Bundesfilmpreis – besser wird nichts. Ein Rückblick.

Klar: Einer wird gewinnen. Aber nicht irgendwer bitteschön.

Man kann von den Filmkritikern wirklich eine Menge lernen. Aber bitte nicht gerade, jedes Jahr die Verfahren zu ändern, wie beim »Preis der Deutschen Filmkritik«. Das Ergebnis, über das wir an dieser Stelle schamhaft geschwiegen haben, war der Kritikergeneralversammlung auf der letzten Berlinale immerhin (und sehr zu Recht!!!) derart peinlich, dass man prompt – zum vierten Mal in acht Jahren – das Vergabeverfahren änderte.

Es gibt jedes Jahr wieder Menschen, die sich von der Vornominierung unter die »besten 20 Spielfilme« des Jahrgangs derart blenden lassen, dass sie den kleinen Finger für die Hand nehmen, und ernsthaft glauben, sie hätten eine seriöse Preischance. Diesmal allerdings – ausgerechnet in einem der schwächsten deutschen Filmjahre seit langem –, kam überhaupt keiner der kleinen frechen Independent-Filme durch, die in den vergangenen Jahren immer unter den Endnominierten aufgetaucht sind.

Das Filmpreis-Abstimmungsprozedere der Vorjahre war so angelegt, dass man einfach sechs Filme ankreuzen musste, die nominiert werden sollten. Da schaffte es immer Halbkunst wie in diesem Jahr der Tom Tykwer-Film Drei, aber kaum echter Mainstream-Blödsinn.

Dieses Jahr wurde nun alles anders.... Es gab wieder ein ganz neues Auszählungsverfahren, das angeblich noch gerechter und noch besser wäre, gerade für kleine Filme. Von wegen: Denn nun wählt man keine Filme mehr aus, sondern vergibt »Zensuren«: Für »schlecht« einen Punkt, für »gut« fünf Punkte. So wurde dann aus den Voten, die man für jeden vornominierten Film abgab, ein Mittelwert errechnet. Mit dem Ergebnis: Der Filmpreis funktioniert wie jeder Publikumspreis bei einem Festival, der schönes braves Mittelmaß auszeichnet. Wer mit seinem Film nicht aneckt, bekommt die Nominierung, aber bitte nicht kontrovers sein oder schwierig, sonst gibt es schlechte Noten. Am besten man hat einen großen Etat, schöne Werbung und hatte gerade erst bei der Berlinale Premiere, dann kommt man weiter. Und natürlich auch dann, wenn man viele Freunde und Mitglieder aus dem eigenen Team in der Filmakademie hat – die votieren dann nämlich brav für alle anderen Filmen mit einer schlechten Note ab... man gibt sich also selber den Preis: je 250.000 Euro Nominierungsprämie aus dem Haushalt des BKM, der sogenannten Branche zur Selbstbedienung überlassen.

Für zusätzliches Chaos und Unfairness sorgt die sogenannte Wildcard-Regelung, die Möglichkeit, am gängigen Auswahlverfahren vorbei Filme in die Nominierungsliste zu hieven. In diesem Jahr zeigte sich das am Beispiel des Films Der ganz grosse Traum. Eine hundsmiserable, peinlich gemachte Scheiße, die völlig zu recht an der Kinokasse floppte, und ebenso völlig zurecht von der Akademie in keiner Kategorie vornominiert wurde. Der aber einen starken Verleih hinter sich hat: Senator, bei dem man sich schon lange fragt, warum sie immer noch am Tropf der Filmförderung weitervegetieren dürfen.

Anatol Nitschke, Ex-Punk und Ex-Werkstattkinomacher, der heute einer Firma mit dem hübsch sprechenden Namen »deutschfilm«, die eigentlich Senator gehört, die eigentlich irgendwelchen Heuschreckeninvestmentfonds in Übersee gehört, zog eine Wildcard für den Film: Das ist sein gutes Recht. Weniger guter Stil ist es allerdings, die Konkurrenz zu beschimpfen, und die Akademie gleich mit: Man habe wohl ein »Problem mit populären Filmen«, grantelte er. Das ist schon deswegen eine selten dumme Bemerkung, weil Der ganz grosse Traum keineswegs ein »populärer Film« ist: In zwei Wochen bekam man nur 100.000 Zuschauer, und verdiente nur 626.837 Euro. Für einen Film mit Daniel Brühl extrem schwach, bei 5,5 Millionen Euro Produktionskosten das übliche Senator-Maß: eine Katastrophe. Aber die Filmförderung zahlt es ja.

Nun ist die Akademie wie ein Hund, der wenn man ihn tritt, winselt und Unterwerfungsgesten zeigt. So konnten Nitschke und sein Film trotzdem in die Kiste der DVDs kommen und von den Mitgliedern auf den Abstimmzettel geschrieben werden. Dummerweise hatte die Akademie überdies vergessen, ihr Verfahren anzugleichen: Wenn nämlich nach Zensuren für alle abgestimmt wird, dann hat natürlich ein Film, der sich gar nicht im normalen Verfahren befindet, den Vorteil, dass nur die vielen Freunde und »Verpflichteten« von Senator die Wildcard-Spalte mit diesem Film besetzen und natürlich dann immer nur gute Zensuren vergeben. Weil ja niemand einem Film, der gar nicht auf der Liste steht, und auch gar nicht angesehen werden muss, freiwillig eine schlechte Note gibt – wozu auch, er ist ja nicht vorausgewählt.

So zog Der ganz grosse Traum in mehreren Kategorien an anderen vornominierten Filmen vorbei – und Senator reibt sich die Hände über 250.000 Euro Staatsknete. Der Höhepunkt ist, dass sich Burghardt Klausner, nebenbei ein Hauptdarsteller von Der ganz grosse Traum, auch noch entblödet hat, nach der Nominierung zu sagen, er freue sich für den Film, weil es ja ein Außenseiter-Film sei!!! Ein Außenseiter, der 5,5 Millionen Euro gekostet hat. Klausner sagt allerdings nicht, dass er als Mitglied des Vorstandes der Filmakademie diese dumme Ausnahmeregelung auch noch aktiv mitbestimmt.

Was kann man dagegen tun? Viele deutsche Produzenten finden die ganze Abstimmung und alles Drumherum auch zum Kotzen. Sie sind aber zu müde, um gegen den Koloss Akademie vorzugehen... »Eigentlich müsste die Akademie sich auflösen wegen kollektiver Blödheit«, sagte ein Filmemacher, der naturgemäß ungenannt bleiben wollte. Früher hieß es noch, man wolle die Akademie von innen verändern. Aber wie will man Iris Berben von innen her ändern? Die Akademie ist für viele Mitglieder eigentlich nur dazu da, dass sie eine schöne Sammlung an DVDs besitzen.

Es bleibt eigentlich nur, eine zweite Akademie, eine »Indie-Akademie« zu gründen und dann auch einen Batzen Geld vom BKM zu fordern. Oder das Ganze einmal gerichtlich prüfen zu lassen: Wie geht es, dass Staatsgelder, die laut Definition für Kunst und Kultur ausgegeben werden sollen, von einem Privatverein an sich selber vergeben werden?

Rüdiger Suchsland

28 April 2011

DOG FOR SALE

A guy is driving around the back woods of Montana and he sees a sign in front of a broken down shanty-style house: "Talking Dog For Sale". He rings the bell and the owner appears and tells him the dog is in the backyard.

The guy goes into the backyard and sees a nice looking Labrador Retriever sitting there.

"You talk?" he asks.

"Yep," the Lab replies.

After the guy recovers from the shock of hearing a dog talk, he says "So, what's your story?"

The Lab looks up at the guy and says:

"Well, I discovered that I could talk when I was pretty young. I wanted to help the government, so I told the CIA. In no time at all they had me jetting from country to country, sitting in rooms with spies and world leaders, because no one figured a dog would be eavesdropping. I was one of their most valuable spies for eight years running."

"But then, the jetting around really tired me out, and I knew I wasn't getting any younger so I decided to settle down. I signed up for a job at the airport to do some undercover security, wandering near suspicious characters and listening in. I uncovered some incredible dealings and was awarded a batch of medals. I got married, had a mess of puppies, and now I'm just retired."

The guy is amazed. He goes back in and asks the owner what he wants for the dog.

"Ten dollars," the guy says.

"Ten dollars? This dog is amazing! Why on earth are you selling him so cheap?"

"Because he's a liar. He never did any of that shit."

26 September 2010

WAS ICH VON MEINER FRAU, MEINEM HUND, MEINER SCHWESTER, MEINEM NEFFEN, MEINEM SCHWAGER UND EIN PAAR ANDEREN LEUTEN GELERNT HABE... (UND WAS NICHT)

Episode 1 - Grenzen

Meine großartige, wunderbare Ehefrau ist in Nordostwestfalen geboren und aufgewachsen. Aber manchmal beschleicht mich der Verdacht, sie ist in Wahrheit Asiatin. Worauf äußerlich nicht das Geringste hinweist. Und ihre Mutter, eine katholischen Bauersfrau in x-ter Generation, ist der letzte Mensch auf Erden, bei dem man sich eine verborgene Liebschaft mit einem Asiaten vorstellen könnte. (Obwohl... „Brief Encounter“...? Am Düsseldorfer Bahnhof...? Nein, unvorstellbar.) Aber dennoch: Celia* ist quasi immer freundlich zu allen und sagt so gut wie nie nein zu etwas.

Ich bin eigentlich auch immer freundlich zu allen Menschen. Ich bin Löwe, das gebietet mir also allein die Ehre, der Stolz, der gute Stil. Vor rund 25 Jahren schrieb mir ein Amerikaner in mein Adreßbuch: „In the art of making friends, you can write the book“. Aber wenn ich merke, daß meine Freundlichkeit und mein Respekt nicht erwidert werden, gar mißbraucht werden, ist es auch schnell mal vorbei mit Mr. Nice. Im Beruflichen halte ich es nach zahlreichen einschlägigen Erfahrungen mit Stanley Kubrick, der sagte: „I don’t trust anyone who isn’t willing to put it in writing“. Und tatsächlich zeigt sich meist schnell, daß Freundlichkeit, die Simulation von Freundschaft, mit Verve vorgetragene Beschwörungen von Respekt, Vertrauen etc. oft leider gerade das Gegenteil bedeuten: Je mehr sich der Vortragende auf hehre Ideale beruft, desto weniger ist er oder sie imstande, diese auch tatsächlich zu praktizieren. Da wird übermäßig zur Schau gestellte Freundlichkeit vielmehr zum Indiz für Durchtriebenheit, zur Aufforderung zur Vorsichtigkeit, das sprichwörtliche Fingerzählen nach dem Händedruck.

Nun, um im Bild zu bleiben, zu meinem immer wieder maßlosen Erstaunen lächelt meine Frau oft ihr Gegenüber auch dann noch an, wenn sie bereits einen Finger weniger hat. Der Eroberer des kleinen Fingers lächelt freudig zurück und macht sich schnellstens an den Rest der Hand, den Arm, den Rumpf. Und Celia* bleibt freundlich...

Während das Phänomen im beruflichen Kontext allgemein anerkannt ist, in Erweiterung von „In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt“ wird fürs Geschäft angenommen, daß jede/r sich eben selbst der oder die Nächste ist (oder, bezogen auf den jeweiligen Brötchengeber, zumal wenn dieser vermeintlich Bedeutung und Macht verleiht, daß das jeweilige Ziel eben moralische Bedenken nicht erlaubt), ist es im Privaten verzwickter: Wer unterstellt schon gern dem Freund , der Freundin, Cousin oder Cousine, Mutter oder Vater, Schwester oder Bruder unlautere Beweggründe für lächelnd kaschierte Vorteilnahme. Aber als jemand, der sensibel für die feinen Modulationen von Reaktionen, Motivationen und anderen menschlichen Austausch ist, fällt mir doch nicht selten auf, daß nicht nur im Business, sondern auch im privaten zwischenmenschlichen Bereich nicht alles Gold ist, was glänzt.

Wer Celia* um einen Gefallen bittet, kann sich relativ sicher sein, daß das Gesuch gewährt wird. Die Frage, ob das Anliegen angemessen ist, stellt sie sich wenn überhaupt erst nach der Zusage. Als Ehemann bekommt man nun innerste Dialoge mit, die anderen Menschen verschlossen bleiben. Nicht nur, daß die spätere Frage nach der Machbarkeit eines Gefallens Schwierigkeiten aufwerfen kann (z.B. wenn es um Zeit oder Geld geht), auch weitergehende Überlegungen finden durchaus statt: Hat der oder die Fragende eigentlich auch schon einmal einen solchen Gefallen angeboten oder gar geleistet? Wird das jemals passieren? Gab es eine Alternative? Könnte sich die betreffende Person nicht eigentlich auch selbst helfen? Oder war und ist es einfach am einfachsten die Person zu fragen, bei der man weiß oder auch instinktiv spürt, daß diese eh quasi zu allem ja sagt?

Nicht selten wird aus einem Gefallen ein Gewohnheitsrecht: Es wird sich schnell daran gewöhnt, daß es da jemanden gibt, der bzw. die immer zur Stelle ist. Wohlwollen, Entgegenkommen, Flexibilität, Zeit, Geld werden nach einiger Zeit nicht mehr als Ausnahme, sondern als Regel wahrgenommen. Es fängt mit kleinen Dingen an: Z.Bsp., wo verabredet man sich? Beim zweiten oder dritten Mal, bei dem die Wahl auf einen Ort um die Ecke der anderen Person fällt (trotz eigener zeitintensiver Nahverkehr-Anfahrt, während die andere Person ein Auto vor der Tür stehen hat), auf ein teures Restaurant in Erwartung einer Einladung, die Zeit ohne Rückfrage festgelegt wird, die Rede dann nur von den Themen der anderen Person ist, leuchten die Warnsignale: Das ist keine Freundschaft, das ist eine einseitige Veranstaltung.

Celia* hat viel Zeit und Geld in solche privaten wie beruflichen Mißverständnisse investiert. Kam es jedoch zu der Situation, in der ihre Zeit oder ihr Geld, ihre Geduld, ihre Fähigkeit zur Einseitigkeit erschöpft waren, und vermeintliche Freunde sich dann ohne Verzug als die rücksichtlosen narzißtischen Egoisten entpuppten, die sie waren oder sind, waren Fassungslosigkeit und Schmerz bei meiner großherzigen Celia* groß.

Nun ist es andererseits bei mir so, daß ich im Gegenteil meinem Gegenüber relativ schnell signalisiere, wenn ich etwas out of line finde. Beruflich, indem ich Kubrick folge und um schriftliche Fixierung von Abmachungen bitte, privat indem ich anspreche, wenn ich etwas unverhältnismäßig finde. Da ist das Entsetzen oft groß: Unterstellung und Mißtrauen einerseits, Bequemlichkeit und Faulheit andererseits, die Liste der offenen und versteckten Vorwürfe ist lang. Ich will nur nicht ausgenutzt, betuppt, übervorteilt werden – also zumindest nicht ohne meine implizite oder explizite Zustimmung (die ja durchaus mal gegeben werden kann, wenn es nötig oder sinnvoll ist).

Also stellt sich die Frage, wer kommt eigentlich besser klar? Celia*, die durch ihr ‚asiatisches‘ Procedere zunächst weniger Umständlichkeiten hat, hinten heraus aber so einiges zu schlucken hat, oder ich, dessen Gegenwehr schon mal frühzeitig Dinge erschweren kann, dafür habe ich aber seltener das Gefühl, mich um Sachen oder Leute bemüht zu haben, die eh nie vorhatten, fair damit umzugehen.

Behavioristen würden sagen, das meiste ist eh ein Deal, auch Freundlichkeit, Freundschaft, Zuvorkommen, Gefallen sind Austauschgeschäfte, wir handeln ständig miteinander. Ich meine, unser überzüchtetes Homo-sapiens-Gehirn ist groß genug, die Unterschiede wahrzunehmen, zu differenzieren, und nicht wahllos Leute zu belästigen, zu fordern, zu nehmen, ohne auch geben zu wollen (oder zu können) oder zumindest den Anstand zu besitzen, es nicht zu übertreiben.

Celia* ist beliebter als ich, ein allseits gefragter Sonnenschein. Aber sie leidet unter den Konsequenzen, in denen sie sich nicht selten zerreißt und nicht genug auf ihre eigenen Bedürfnisse achtet. Ich bin konsequenter. Und leide unter den Enttäuschungen.

Was man von einer Wassermann-Geborenen wie Celia* lernen kann, und das gilt auch für die männliche Variante dieses überdurchschnittlich angenehmen, verträglichen Zeichens, ist enorm viel Offenheit, Entgegenkommen, Toleranz, idealistisches Denken, unerschöpflicher Glaube an das Gute im Menschen. Aber eben auch die zahlreicheren Fehlschläge, Sackgassen, Verletzungen aufgrund dieser Strategie. So einer wie ich, ein ‚harter Bursche‘, mit zuviel Stolz, zuviel Bestehen auf Stil, Anstand, Gerechtigkeit, vermeidet so manche bewußte oder unbewußte, intendierte oder gedankenlose Verarschung, stößt aber dabei eben manchmal auch auf verschärfte Abwehr, Ablehnung, Verweigerung.

Also: Seid freundlich und mehret Euch. Man kann viel erreichen und weit kommen mit einem Lächeln, mit Geduld, mit Hilfsbereitschaft. Aber man kann auch ausgenutzt werden. Man sollte die Reißlinie ziehen, wenn sich hinter dem Lächeln ein ungutes Gefühl meldet. Meist hat das Gefühl recht, dann heißt es wachsam sein... Glaube ich.

*Name geändert

10 Juli 2010

Die unbequeme Religion

Ein entscheidender Unterschied zwischen der Bibel und dem Koran ist, daß während die meisten Christen die Bibel als Geschichtensammlung wahrnehmen, der Islam den Koran weitestgehend als das wahre Wort Gottes ansieht.

Konkrete Lebensregeln zum Beten, Waschen, dem Umgang mit Geld, der Ausübung des Glaubens und vielem mehr machen es derweil nicht leicht, Moslem zu sein. Leicht macht es sich das Christentum mit der Ausgrenzung des Islam. Der Hadith „Die Meinungsverschiedenheit in meiner Gemeinde ist ein Zeichen göttlicher Barmherzigkeit“ spricht eine andere Sprache, wie auch die Sure „Kein Zwang im Glauben“ ein deutlich friedlicheres Bild dieser Religion vermittelt.

Während Christen Moslems in der Geschichte überwiegend im besten Fall vertrieben, im schlechteren schlachteten, kamen die Christen (und Juden und Hindus) unter den Moslems mit einer Steuer davon und konnten ansonsten ihrem Leben und ihrer Religion weitestgehend unbehindert nachgehen.

Der Islam hat eindeutig mehr Respekt vor der Bibel, vor jeder heiligen Schrift, als es umgekehrt dem Koran gegenüber der Fall ist. Zum Hikam des Ibn Ataullah „Ein Zeichen dafür daß Gott dich irgendwohin gestellt hat ist, daß er dich dort bleiben läßt und du gute Frucht bringst“ ist in seiner Schönheit und Poesie, und seiner friedlichen, toleranten Weichheit, der berührenden Einheit aus Gedanke und Sprache, in der Bibel kaum eine vergleichbar beeindruckende Formulierung zu finden.

Nun ist klar, was das Gegenargument ist: ja der Gihad! Der Glaubenskrieg, der heilige Krieg. Doch was bedeutet das Wort wirklich? Der Krieg ist ein Kampf. Eine Anstrengung um den Glauben. Um den eigenen (nämlich „sich so sehr anzustrengen, wie es einem möglich ist“). Viele auch moderne Moslems fasten. Und das ist ein Kampf. Ein Kampf mit sich selbst. In dem man sich bemüht, zu sich zu kommen. Alle anderen Auslegungen deckt der Koran selbst explizit nicht, der ja Mohammed (in den direkten Worten Gottes) als „Barmherzigkeit der Welten“ beschreibt.

Bedenkt man die unzähligen Greueltaten, die in der Geschichte im und mit Duldung des Christentums erfolgten – von der Inquisition über die Kreuzzüge bis zum Holocaust und Kindesmißhandlungen, dann relativiert sich einiges: Fehlgeleitete, so verurteilenswert sie immer sind, egal wann und wo, gibt es eben überall, sie sind kein Monopol einer einzigen Religion.

Und auch was das Verhältnis zu Frauen angeht, stehen sich die beiden Religionen ja in wenig nach: der römisch-katholische, der orthodoxe, der mormonische Umgang mit Frauen macht ebenfalls nicht gerade Werbung für die jeweilige Auslegung der Dinge, ist ebenso gefangen in atavistischem, anachronistischem Verständnis einer vormittelalterlichen Zeit, wie es leider Teile des Islam eben auch noch sind. Aber wer hat da auf wen mit dem Finger zu zeigen, bevor er erst mal im eigenen Laden aufräumt.

Auch der Islam war und ist bemüht, gewisse Unstimmigkeiten zwischen seinen historischen Ursprüngen und der Neuzeit zu überwinden: so z.B. schon im 9. Jhd. Al-Asari, 100 Jahre später Al-Biruni, gefolgt von Ibn Tufail und Ibn Rusd, im Mittelalter Ibn Arabi und Ibn Khaldun und vor allem Ibn Taimiyya, bis hin zu Muhammad Abdul Wahhab und Sah Waliullah im 18. Jhd., dem großen Panislamisten Gamaluddin Afghani, in Indien Muhammad Iqbal, Sir Sayyid und Syed Ameer Ali, in der Türkei u.a. Ziya Gökalp, und im 20. Jhd. v.a. die Ägypter.

Es waren und sind die Imame (oder Kalifen), nicht der Koran, die es mancherorts schwer machten und machen, Glaube und Realität in Einklang zu bringen. Wie in der katholischen Nomenklatur sind es die Würdenträger mit der vermeintlichen Deutungshoheit, die den Glaubenden das Leben schwer machen, nicht die Botschaft, die Praxis des Glaubens selbst.

Die Gottesdefinition im Hadith Qudsi (eines zudem unfertigen, werdenden Gottes) „Ich war ein verborgener Schatz und wünschte erkannt zu werden, so erschuf ich die Welt“ ist von rührender Schönheit und zeigt auf, worum es im Islam im Kern geht: Den Schatz der Erkenntnis in sich zu suchen, sich ihm anzunähern – durch Arbeit an sich selbst . Das ist ein Kampf, ein ‚Krieg‘, der tägliche Gihad, der den Glauben unbequem, weil fordernd macht. Und davor kann man viel Respekt haben meine ich. Es wäre an der Zeit, damit zu beginnen.

P.S.: Was jetzt nicht heißen soll, daß all das Getümmele zwischen Sunniten, Schiiten, Sufisten, Wahhabiten, Hanbaliten, Murgiten etc. etc. dem Weltfrieden förderlich war oder ist – aber auch hier: Der Umgang mit der Bruderreligion Islam etwa hierzulande, in der Schweiz, in Belgien, auf dem Balkan oder in Israel bzw. Palästina ist auch nicht hilfreich. Denkt man z.B. an Spielchen wie die Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses im Hickhack mit Orthodoxie und Römisch-Katholisch (und dem Islam), nehmen sich die Christen offenbar wenig, was Zersplitterung, Abgrenzung und Streitfreudigkeit angeht, ganz zu schweigen von den kirchlichen Unsinnigkeiten in den USA untereinander... oder, weltweit verzweigt, z.B. die Eigentümlichkeiten von Kongregationalisten, Neuapostolen, Ernsten, Vereinigern, Unitariern. Und um die dritte große Gottesreligion hier nicht aus der Verantwortung zu entlassen, etwa den nationalreligiösen Rabbi Mordechai Elon, der sich bei seinen Jeschivastudenten zugleich als haßschürender Agitator und Halacha-Gleisner hervortut, oder die ultraorthodoxen jüdischen Siedler im Westjordanland, die sefardischen Mädchen den Zugang zur Schule verweigern.

Ich würde es mit Wasil Ibn Ata und den Qadariten halten: also sinngemäß, bitte, die Welt ist bunt!