"Die eine wahre Sache gibt es nicht." Ernie H.

"Wenn die Seele bereit ist, sind es die Dinge auch.“ Billy S.

09 Mai 2010

Entschuldigung, Griechenland!

Wenn Politiker aller Couleur, von CDU, CSU, FPD, SPD, Grünen und Linken – darunter so illustre wie sonst wenig harmonisierende Namen wie Christian Ströbele und Peter Gauweiler, sich in einer Sache einig sind, kann man wohl davon ausgehen, dass da etwas dran sein muss…

Und wenn gleichzeitig Spiegel, Focus und Bild, also rund drei Viertel der deutschen Meinungsmache across the board, sich in obszön-platter Stimmungshysterisierung üben, darf man wohl kollektive Verunsicherung vermuten…

Für die Einführung des Euro war das Argument der Vereinigung Europas von großer Bedeutung, nicht zuletzt um den vor allem enormen wirtschaftlichen Nutzen der Einheitswährung für bestimmte Kernländer in der Wahrnehmung aller betroffenen Bürger nicht zu sehr in den Vordergrund treten zu lassen. Und dieser ökonomische Vorteil für die Reichen unter den Euro-Fans würde natürlich wachsen mit der Anzahl der integrierten Märkte in der neuen grenzenlosen Handelszone. Schließlich würden es insbesondere die Mitglieder der Eurozone sein, die noch Konsumbedarf hatten, die die Geschäfte derer ankurbeln würden, die dieses Konsuminteresse bedienen konnten – ein bereits mit der Wiedervereinigung praktiziertes Prinzip, also in Deutschland gut bekannt.

Griechenland erfüllte all diese Kriterien.

Nun wird gejammert, man sei auf’s Kreuz gelegt worden, ‚die Griechen‘ hätten gelogen und betrogen. Derweil sie fleißig konsumiert haben – Waren, Güter, Dienstleistungen, Kredite etc., aus Mitteleuropa, darunter viele schöne teure Autos, Baustoffe, Panzer, Parfüms, Versicherungen, etc. etc. deutscher Anbieter. Im großen Stil.

Dass Griechenland damit heftig über seine Verhältnisse lebte, fiel in neun Jahren außerhalb des Landes offenbar nicht sonderlich auf. Genau so wenig wie bei z.B. den deutschen Landesbanken oder der Hypo Real Estate, direkt unter Augen deutscher Politiker, Banker, Journalisten. Bis es so doll wurde, dass man nicht mehr wegschauen konnte. Und es zu spät war.

Also was tun? Na, das Gleiche wie bei den Banken: Nicht etwa die Verrückten (mal freundlich formuliert) zur Kasse bitten, die den Karren in den Dreck bugsiert haben – sondern die, die sich nicht wehren können: die einfachen Steuerzahler, ‚der kleine Mann‘, hüben wie drüben.

Nun werden ‚die Griechen‘ in toto an den Pranger gestellt, die angeblich im Milch- und Honig-Land leben, wahnsinnig viel verdienen, wahnsinnige Renten beziehen, eigentlich eine ständige Party feiern...

Ich war schon auf einigen Partys in Griechenland. Mit einfachstem Wein aus Plastikflaschen, mit Salat, Kartoffeln und Gemüse, und ein bisschen Fleischbeilage. Dort saß ich mit Lehrern, Ärzten, Architekten zusammen, die von ihrem Gehalt nur leben können, weil sie ihre kleine Wohnung von ihren Eltern geerbt haben und in den Sommerferien Zweitjobs in der Tourismusindustrie haben.

Nun sollen die Griechen sparen, um sich zu gesunden. Komisch. Hieß es nicht hierzulande nach der Finanzkrise, Sparen sei der Tod der Wirtschaft und würde zum finalen Kollaps führen?

Stimmt ja auch nicht, wie die Erfahrung zeigt: Wie in Griechenland wird auch bei uns ökonomisch unterschieden zwischen zwei Bevölkerungsgruppen: denen, die was haben, und denjenigen, die nichts haben. Erstere müssen geschont werden, müssen weiter konsumieren können. Letztere haben eh so wenig, können ja kaum Konsum beitragen zur Konjunktur, dass es ja eigentlich egal ist.

Warum der deutsche Volkszorn beim deutlich teureren Bailout unfähiger und gieriger Banker hierzulande vor 18 Monaten so viel milder ausfiel als nun anlässlich der Rettung eines Landes, das viele Deutsche gern besuchen, eines Volkes von europäischen Mitbürgern – Menschen also, deren Verwandte zahlreich hier vor Ort unter uns sind, deren Vorfahren am Wunder-Aufbau Deutschlands aktiv mitgearbeitet haben, deren Vorgängern wir so viel Kultur zuschreiben, denen wir faktisch fast alles zu verdanken haben, was unsere Kultur, unser Staatswesen, unsere Gemeinschaft ausmacht – da ist mir ein vollkommenes Rätsel.

Es liegt wohl daran, dass es Ackermann & Co., Merkel, Westerwelle & Co., Springer, Burda & Co. gelingt, mit gezielter Desinformation die Deutschen aufzuwiegeln, den Griechen eine Rosskur zu verordnen, die bei Einführung in Deutschland der Linken wohl die absolute Mehrheit servieren würde. Und dass diese Deutschen dabei vollkommen übersehen, dass es den Griechen nun genau so geht wie den Deutschen in der Bankenkrise: Wirtschaft, Banken und Regierung zocken, ein paar Tausend Leute profitieren, und wenn die Zitrone ausgequetscht ist, nur die Schale bleibt, wird es eben bitter für den Rest.

Für diese naive Verführbarkeit, für diese dämliche Ahnungslosigkeit, für diese egoistische Ignoranz in Deutschland entschuldige ich mich bei den zahlreichen Griechen, die zu Recht fassungslos darüber sind, was hier abgeht: Mehr tumbe Vereinfachung war schon lange nicht mehr in Deutschland, und weniger Solidarität mit im gleichen Boot sitzenden Leidensgenossen war selten.

Ich prophezeie mal, in nicht allzu ferner Zukunft, wenn auch hierzulande noch mehr der gross angelegten Verschleierung offenbar wird, wird so mancher Deutsche sich an die protestierenden und demonstrierenden Griechen erinnern. Und dann wohl so manches anders sehen.

Hoffentlich ist es dann auch für ‚die Griechen‘ noch nicht zu spät.

2 Kommentare:

  1. Why the Germans (and Dutch too) are so angry on Greece? My answer: our jealousy. We are jealous on the 'dolce far niente' lifestyle of the people around the Mediterranean sea. (For me the problem is bigger than Greece alone.) "We" are angry because "we" are now forced to pay the bill of a party we were not invited to. We are allowed to party 3 weeks a year during our holidays. And the Greeks? They party 365 days a year. That's our anger.

    At the same time it's scapegoating. It's always much easier to blame the others than blame our own group. The bankcrises is our group psychology. The Greece euro crisis is other group psychology.

    Why are you singling out the couple of 1.000 "rich" Greeks who are "really" caused the crisis. Aren't you scapegoating too?

    We are now following the money. Is the crisis in the European Community not bigger than money?

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  2. of course. it is a crisis of values, of ethics, of morals. a crisis of selfish greed, unscrupulousness, inconsiderateness, recklessness, ruthlessness. a crisis of lies. a huge crisis. of politics, society, humnanity. in greece, in europe, in the world. caused by a minority, suffered by the majority.

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